Trockenmauern in der Neuzeit
"Enclosure", Terrassen und Brücken – wie Trockenmauern in der Neuzeit Landwirtschaft, Landschaft und Ingenieurkunst formten.
Ausbau in der frühen Neuzeit
Zwischen 1500 und 1700 wurden Trockenmauern vermehrt in agrarischen Kulturlandschaften errichtet. Besonders in Weinbauregionen entstanden Terrassenanlagen, die nicht nur praktisch, sondern auch durch lokale Verordnungen geregelt wurden. Erste landesherrliche Bauordnungen schrieben vor, wie Mauern gebaut und gepflegt werden mussten, um Erträge langfristig zu sichern.
"Enclosure" und Privatisierung
In England setzten die Enclosure Acts ab dem 17. Jh. eine Entwicklung in Gang, die weite Landstriche mit Trockenmauern durchzog. Offene Allmenden wurden eingezäunt und in privates Eigentum überführt. Damit entstanden kilometerlange Mauern, die bis heute die Landschaft prägen. Sie sind sichtbare Zeugnisse einer tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umgestaltung.
Technische Regeln und Baunormen
Mit der Entwicklung des Ingenieurwesens entstanden im 18. und 19. Jh. erste allgemeine Bauvorschriften. Trockenmauern fanden dabei Anwendung im Brücken- und Straßenbau, wo Regeln für Neigung, Widerlager und Steinauswahl schriftlich fixiert wurden. Ingenieure wie Jean-Rodolphe Perronet verbanden traditionelle Techniken mit systematischen Berechnungen und machten sie so zum Teil moderner Baukunst.
Regionale Vielfalt
Trotz wachsender Normierung blieben die regionalen Unterschiede groß. In Italien und Südfrankreich dienten Trockenmauern weiterhin vorrangig der Terrassierung im Wein- und Olivenbau. Im Alpenraum regelten lokale Bauordnungen den Bau von Schutzmauern gegen Lawinen oder Erosion. So zeigte sich die Anpassungsfähigkeit des Trockenmauerbaus an sehr unterschiedliche topographische und klimatische Bedingungen.
Spätneuzeitliche Blüte und Rückgang
Im 19. Jh. erlebten Trockenmauern nochmals eine Hochphase: ganze Landschaften wurden systematisch durch Mauersysteme strukturiert, bevor Industrialisierung und neue Baustoffe ihre Rolle schwächten. Mit dem Aufkommen von Beton und Ziegel verloren sie vielerorts an Bedeutung. Dennoch überdauerten zahlreiche Mauern dieser Epoche und prägen bis heute Kulturlandschaften in Europa.
Copyright Fotos: Public Domain; Alberto Bigoni, K. Mitch Hodge, Johannes Hofmann, Simon Infanger, Simon N., Andrew Hall, Tanya Barrow
Quellen
Merchant & Makers (2016): A Brief History of Dry Stone Walls
Smithsonian Magazine (2023): The Ancient Craft of Dry Stone Walling Still Holds Appeal
Tom Trouton (o. D.): A History of Dry Stone Walling
Wikipedia (o. D.): Dry stone, Jean-Rodolphe Perronet
NABU (o. D.): Trockenmauern als Gartenelemente
Santiago Huerta Fernández (2018): Arch bridge design in eighteenth-century France: The rule of Perronet
Ancient Origins (2015): Medieval Stone Walls and Their Legacy